Eltern nehmen eine ausufernde Internetnutzung von Jugendlichen aus Sicht eines Suchtforschers noch zu selten als Problem wahr. Wenn Jugendliche ohne Smartphone oder Computer unruhig werden, könnten das Anzeichen einer Internetsucht sein.

„Man muss das Bewusstsein stärken, dass Online-Spiele und soziale Netzwerke eine hohe Bindungskraft haben können. Jugendliche kommen immer früher in Kontakt mit einem potenziell abhängig machenden Verhalten“, sagt Professor Falk Kiefer von der Deutschen Gesellschaft für Suchtforschung und Suchttherapie.

  • Als internetabhängig gelten nach einer maßgeblichen Studie aus dem Jahr 2011 mehr als 560.000 Menschen in Deutschland (in Österreich war diese Zahl circa 80.000), Tendenz steigend. Bei den 14- bis 16-Jährigen sind demnach vier Prozent betroffen, Mädchen etwas häufiger als Jungs. Bislang ist Internetsucht aber nicht offiziell von den Kostenträgern als Krankheit anerkannt, es gebe auch keine Normen dafür, weswegen bei den Eltern große Unsicherheit herrsche.
  • Die Kriterien für Internetsucht ähneln denen einer Alkohol- oder Drogensucht, schreibt die deutsche Ärzte Zeitung. Ausschlaggebend ist aber nicht die Zeit vor dem Bildschirm: Bei Abhängigen treten starke negative Konsequenzen durch Online-Spiele oder das Surfen in sozialen Netzwerken auf, die sie in Kauf nehmen oder ausblenden. Betroffene ziehen sich von Familie und Freunden zurück, gleichzeitig verschlechtern sich oft die schulischen Leistungen.

Anders als bei Alkohol etwa fehlten aber Effekte wie Trunkenheit, die das Umfeld auf das Problem aufmerksam machen, beobachtet Kiefer. Entsprechend spät kämen Jugendliche und ihre Eltern in Beratungsstellen. Intensive Computernutzung führt in vielen Familien zu Problemen. Jedes fünfte Kind reagiert ruhelos und gereizt auf Online-Einschränkungen. Oft geben Eltern ihren Kindern keine Regeln zum Umgang mit Laptop oder Smartphone.

Am 1. September hat die Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie der Ruhr-Universität Bochum eine Online-Ambulanz für Internetsüchtige gestartet. In einem ersten Schritt können Besucher dort einen Selbsttest durchführen und klären, ob bei ihnen oder ihren Angehörigen tatsächlich eine Internetsucht vorliegt. Sollte dies der Fall sein, wird der Betroffene zu zwei Online-Sprechstundenterminen mit Experten eingeladen, um individuelle und spezifische Behandlungsmöglichkeiten in der Nähe zu finden und die Behandlungsmotivation hierfür zu stärken.

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