Kinderlosigkeit: Sehnsucht Baby

„Viele Paare kommen leider zu spät zu uns“, berichtet Primarius Dr. Georg Freude, Präsident der Österreichischen IVF-Gesellschaft. „Ab dem 35. Lebensjahr sollte man nicht länger als ein halbes Jahr zuwarten, um eine Kinderwunschklinik aufzusuchen.“ Statistisch verteilen sich die Ursachen der Kinderlosigkeit mit jeweils 30 bis 40 Prozent in etwa gleichermaßen auf Mann und Frau. Bei […]

Wenn alles gut geht, erblickt rund 266 Tage nach der Befruchtung der Eizelle ein neuer Mensch das Licht der Welt. Ein Wunsch für viele Paare, der manchmal unerfüllt bleibt. Denn bei jedem siebten Paar in Österreich will es einfach nicht klappen. Das sind die Ursachen für Kinderlosigkeit.

„Viele Paare kommen leider zu spät zu uns“, berichtet Primarius Dr. Georg Freude, Präsident der Österreichischen IVF-Gesellschaft. „Ab dem 35. Lebensjahr sollte man nicht länger als ein halbes Jahr zuwarten, um eine Kinderwunschklinik aufzusuchen.“ Statistisch verteilen sich die Ursachen der Kinderlosigkeit mit jeweils 30 bis 40 Prozent in etwa gleichermaßen auf Mann und Frau. Bei 15 bis 30 Prozent der betroffenen Paare kann es an beiden Partnern liegen. Keine erkennbare Ursache lässt sich in fünf bis zehn Prozent der Fälle finden. Conclusio: Unerfüllter Kinderwunsch ist ein Problem, das beide Partner in gleichem Maße betrifft. Die Suche nach den Ursachen und die Behandlung der Kinderlosigkeit sollten stets gemeinsam erfolgen.

„Nach Definition der WHO spricht man von Sterilität, wenn sich bei regelmäßigem ungeschütztem Geschlechtsverkehr innerhalb eines Jahres keine Schwangerschaft eingestellt hat. Spätestens dann sollte die Suche nach den Ursachen beginnen.“

Späte Mutterschaft. Die Statistik zeigt: Eltern sind bei der Geburt ihrer Kinder immer älter. Nach Angaben der Statistik Austria lag das durchschnittliche Alter bei Eintritt der Elternschaft 2012 in ganz Österreich bei 30,2 Jahren. Beim ersten Kind bei 28,7 Jahren. Das ist je um rund 0,2 Jahre höher als 2011. In den 1980er Jahren lag das durchschnittliche Fertilitätsalter noch bei rund 26,0 Jahren. Beim ersten Kind bei etwa 24,0 Jahren. Frauen entscheiden sich immer später für eine gewollte Schwangerschaft. Die Verwirklichung im Berufsleben ist nur ein Faktor von vielen. Auch die Vielfältigkeit der heute anwendbaren Verhütungsmittel gestattet es Frauen, den sogenannten richtigen Zeitpunkt besser festzulegen. Doch eine Schwangerschaft kommt nicht auf Knopfdruck. Die vorgegebene biologische Grenze kann nicht verschoben werden. Die Zeit der besonders fruchtbaren Jahre einer Frau, das Alter von 15 bis 25, verstreicht allzu oft. Statistisch betrachtet bedeutet das: Weniger als 25% der Frauen nutzen diesen Zeitrahmen, um Kinder zu bekommen. Die natürliche Fertilität verhält sich aber nicht wie die Lebenserwartung, die mit dem besseren sozioökonomischen Umfeld steigt. Sie ist bis zu einer variablen Grenze, einem Alter von etwa 38 bis 45 Jahren, limitiert und beginnt danach zu sinken.

Formen der Unfruchtbarkeit. Unfruchtbarkeit wird bei Paaren diagnostiziert, die ein Jahr regelmäßig ungeschützten Geschlechtsverkehr während der fruchtbaren Tage der Frau haben, ohne dass eine Schwangerschaft eintritt. Geschlechtsverkehr bezieht sich dabei auf Sex, bei dem sich der Penis zum Zeitpunkt des männlichen Orgasmus in der Scheide befindet. Man kann zwei Formen der Unfruchtbarkeit unterscheiden: die Infertilität und die Sterilität. Die beiden Begriffe werden oft synonym verwendet, haben aber nicht die gleiche Bedeutung. Bei der Infertilität ist es aus einem oder mehreren Gründen nicht möglich, dass ein Spermium eine Eizelle befruchtet. Bei der Sterilität erfolgt keine Einnistung der befruchteten Eizelle in der Gebärmutter oder der Embryo stirbt früh ab (Fehlgeburt). Man unterscheidet weiter die primäre Sterilität (Frauen, die noch nie schwanger waren) von der sekundären, erworbenen Sterilität (Frauen mit vorangegangenen Schwangerschaften).

Interessenvereinigungen in Österreich. In Österreich gibt es zwei Interessensgemeinschaften, an die sich Betroffene wenden können: Die Österreichische IVF-Gesellschaft und die Österreichische Gesellschaft für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie. Die Österreichische IVF-Gesellschaft ist eine medizinisch-wissenschaftliche Fachgesellschaft. Sie beschäftigt sich mit den wesentlichen Aspekten des unerfüllten Kinderwunsches: der Diagnostik und der Behandlung Betroffener, den möglichen Gründen dafür und ihrer Erforschung, dem rechtlichen und politischen Umfeld und der gesamtgesellschaftlichen Bedeutung dieses Problems. Die Österreichische IVF-Gesellschaft ist im Frühjahr 2003 aus der „Österreichischen Gesellschaft für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie“ hervorgegangen, die ihrerseits 1983 als „Österreichische Gesellschaft für In Vitro Fertilisierung und Assistierte Reproduktion“ gegründet wurde. Sie versteht sich als Serviceeinrichtung für Mitglieder und alle Betroffenen und am Thema Interessierten. Die Österreichische IVF-Gesellschaft liefert umfassende Informationen zu den Möglichkeiten und Techniken, mittels Reproduktionsmedizin und IVF schwanger zu werden. Sie informiert über Chancen, Risiken und Kosten und nimmt Stellung zu gesetzlichen Einschränkungen in Österreich.

Die Österreichische Gesellschaft für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie (Austrian Society of Reproductive Medicine and Endocrinology) wurde 1983 unter der früheren Bezeichnung „Österreichische Gesellschaft für In Vitro Fertilisierung und Assistierte Reproduktion“ gegründet. Der Gedanke der Gesellschaftsgründung war, die neuen Techniken der assistierten Reproduktion in Österreich bekanntzumachen, die Studien auf diesem Gebiet voranzutreiben und in regelmäßigen Jahrestagungen die neuesten Erkenntnisse den Kollegen zu präsentieren.

Österreichische IVF-Gesellschaft

Präsident:
Prim. Dr. Georg Freude
Medical Quality GmbH
1190 Wien, Koschatgasse 3
Tel: +43 (0)1 403 49 19
Fax: +43 (0)1 403 49 19 15

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Österreichische Gesellschaft für Reproduktionsmedizin und Endokrinologie

Präsident:
Univ.-Prof. Dr. Wolfgang Urdl
Institut für Hormonstörungen, Kinderwunsch und Wechselbeschwerden
Kaiser Franz Josef Kai 46/1,
8010 Graz
Tel: + 43 (0)316 831650
Fax: +43 (0)316 831650-3

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Interview mit Primarius Dr. Georg Freude

Wie sehen Sie die österreichische Gesetzeslage im Bereich der Fortpflanzungsmedizin?
Das Fortpflanzungsmedizin­gesetz regelt die erlaubten Behandlungsmethoden. Österreich hat wie die Schweiz und Italien ein eher konservatives Reglement. Es hinkt unseren europäischen Nachbarländern hinterher. So ist die Eizellspende innerhalb der EU außer in Österreich nur in Deutschland und Italien gesetzlich verboten, in allen anderen EU-Ländern nicht.

Führt das zu einem Reproduktionstourismus?
Für die Präimplantationsdiagnostik, das ist eine Untersuchung des Embryos auf Krankheiten bereits vor der Implantation, oder eine Eizellspende muss ich meine Patienten ins Ausland vermitteln. In Österreich ist beides nicht erlaubt.

Was fordern Sie in diesem Zusammenhang?
Ein gesetzlicher Grundkonsens in Europa wäre wünschenswert. Sinnvoll ist eine zeitgemäße Anpassung an unsere gesellschaftliche Realität. Ich erwarte keine gesamteuropäische Angleichung, denn dem stehen vielfältigste ideologische Anschauungen gegenüber. In Österreich wäre eine Novellierung in folgenden Bereichen angebracht: Das Eizellfrieren in jüngerem Alter und Aufbewahren für später ist verboten, außer bei Erkrankung. Eine Samenspende für die heterologe In-vitro ist ebenso nicht erlaubt. Das sind Widersinnigkeiten, die es aufzuzeigen gilt. Da sehe ich uns als Sprachrohr und Lobby unserer Patienten.

Wo liegen die Grenzen der Fortpflanzungsmedizin?
Der Gesetzgeber gibt einen gewissen Rahmen vor. Daneben ist aber immer die individuelle Situation des Patienten zu berücksichtigen. Da muss ich als Arzt Stellung beziehen, aber ohne zu moralisieren! Von weiteren IVF-Versuchen sehe ich ab, wenn zu wenige Eizellen vorhanden sind und wenn auch bei mehrfachem Versuch keine Befruchtung stattfindet. Dann empfehle ich, aufzuhören und eventuell eine Eizellspende in Erwägung zu ziehen.

Daher auch der multidisziplinäre Ansatz, den Sie verfolgen?
Schon von Gesetzes wegen ist von jedem IVF-Zentrum ein Ansprechpartner mit psychologischer Ausbildung anzubieten. Doch es gilt auch, medizinische Aspekte abzuklären. Ein andrologischer, urologischer Befund ist oft ebenso wichtig, um die richtige Diagnose stellen zu können und die geeignete Therapie anzubieten.

Wie steht die Österreichische IVF-Gesellschaft zum Thema Leihmutterschaft?
In Österreich ist die Leihmutterschaft verboten. In Ländern wie Großbritannien, den USA, Südafrika, der Ukraine und Russland, in denen das Verfahren erlaubt ist, entstand ein regelrechtes Geschäft mit den Ersatzmüttern. In Großbritannien oder den USA zahlen Paare im Schnitt umgerechnet zwischen 14.000 und 19.000 Euro für das Austragen des Babys. Britischen Leihmüttern ist die Bezahlung nach dem Gesetz verboten, jedoch werden auch dort Honorare verlangt. Die Österreichische IVF-Gesellschaft verfolgt diesen Bereich nicht. Unsere Aufgabe ist es vielmehr, den Patienten in Österreich bei den Themenkomplexen Eizellspende und Präimplantationsdiagnostik eine Stimme zu verleihen und ihre Interessen gegenüber dem Gesetzgeber zu vertreten.

Primarius Dr. Georg Freude ist Präsident der Österreichischen IVF-Gesellschaft und Ärztlicher Leiter des Kinderwunsch­zentrums Gynandron.


Mag. Andrea Ert, Klinische und Gesundheitspsychologin

In welcher Situation befindet sich ein Paar, dessen Kinderwunsch nicht in Erfüllung geht?
Die größten Herausforderungen für ein Paar mit unerfülltem Kinderwunsch sind der monate- oder jahrelange Leidensweg, der psychische Druck, wenn etwas Selbstverständliches nicht funktioniert, das geringe Verständnis von Dritten und deren sogenannte gute Ratschläge und nicht zu unterschätzen: Sex ausschließlich nach Plan.

Welche Hilfe können sich Menschen in dieser Situation holen?
Psychologische Beratung kann in allen Phasen sehr hilfreich sein. Beginnend bei der Entscheidungsfindung, ob und auf welche Weise dem Kinderwunsch medizinisch nachgeholfen werden kann. Begleitung während der medizinischen Therapien. Trauerarbeit, wenn es nicht geklappt hat, und natürlich auch Unterstützung während einer Schwangerschaft. Es geht dabei um die Verarbeitung starker Gefühle: Schuld, Wut und Depressionen sind Begleiter auf dem Weg zum Wunschkind. Ebenso wie Freude, Hoffnung oder Angst. Ich helfe jedem individuell, diese schwierige Lebensphase zu meistern.

Mag. Andrea Ertl
Villa Sana
Endresstraße 99
1230 Wien
Tel.: 0699/16 21 70 83

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