Egal, wie früh sie aufstehen, sie kommen immer einige Minuten zu spät zur Arbeit. Gleiches gilt bei Verabredungen. Auch wenn sie es sich vornehmen, pünktlich zu sein, schaffen sie es nicht. Die Frage, warum es einigen Menschen schwer fällt, pünktlich zu sein, ist nicht leicht zu beantworten.

Als Pünktlichkeit bezeichnet man die Eigenschaft einer Person, einen verabredeten Zeitpunkt oder einen Termin präzise einzuhalten. Pünktlichkeit geht in postindustriellen Gesellschaften Hand in Hand mit Verlässlichkeit und Höflichkeit. Sie galt und gilt noch immer neben Fleiß und Sparsamkeit als sogenannte bürgerliche Tugend.


Time-Based Prospective Memory

Forscher der Washington University wollten wissen, warum manche Menschen wider besseren Wissens regelmässig zu spät kommen. Deshalb schauten sich jenen Bereich des Gedächtnisses an, in dem gespeichert ist, wie lange man für bestimmte Handlungen braucht – das sogenannte Time-Based Prospective Memory, kurz TBPM. Sie stellten dabei fest, dass das TBPM und damit die innere Uhr bei verschiedenen Menschen unterschiedlich gut funktioniert, bei einigen fehlt die Möglichkeit Zeit richtig einzuschätzen.

Typ-B Persönlichkeit

Eine etwas andere Sichtweise: Studien haben bewiesen, dass Menschen, die ständig zu spät sind, weitaus optimistischer sind, als alle anderen. Sie glauben nämlich, dass sie viel mehr in viel weniger Zeit leisten können und meistens geht es ihnen am besten, wenn sie mehrere Aufgaben gleichzeitig erledigen – oder zumindest es versuchen. Sie sind dementsprechend richtig schlecht darin, realistisch einzuschätzen, wie viel Zeit gerade vergangen ist.

Diese Menschen, die eine entspannte Einstellung zum Leben haben, werden als Typ-B Persönlichkeit bezeichnet. Sie konzentrieren sich auf das große Bild und sehen die Zukunft voll von unendlichen Möglichkeiten, haben weniger Stress und leben gesünder. Die Zeit tickt für sie einfach langsamer.


Zeit in den verschiedenen Kulturen

Es gibt aber eine große Unterschied, wie die Zeit in den verschiedenen Kulturen wahrgenommen wird. Zeitbezogene soziale Regeln können sich sogar innerhalb einer gegebenen Kultur schnell ändern. Ein verschiedener Umgang mit der Zeit kann zu großen Kommunikationsproblemen oder gar Konflikten führen.

Moderne, westliche Gesellschaften haben ein lineares, horizontales Zeitverständnis, die Zeit spielt eine wichtige Rolle (Zeit ist Geld), Unpünktlichkeit gilt als unhöflich und eine Verspätung, die eine gewisse Toleranzgruppe überschreitet, kann als Beleidigung und Respektlosigkeit wahrgenommen werden. In östlichen Kulturen oder bei Naturvölkern hingegen wird die Zeit zyklisch oder vertikal, das heißt in mehreren gleichzeitig nebeneinander existierenden Zeitlinien wahrgenommen.

Alles ist relativ

Dort, wo monochrone (horizontale) und polychrone (vertikale) Kulturen aufeinandertreffen, muss es zwangsläufig zu Konflikten kommen. So verstehen beispielsweise die Menschen in Südamerika unter einem Termin um 10 Uhr eher „später Vormittag“, das heißt irgendeine Zeit zwischen ungefähr 9 Uhr 30 und Mittag und sind so nach westlichem Zeitverständnis zwangsläufig unpünktlich. In vielen Ländern sind aus diesem Grund Geschäftsöffnungszeiten oder die Fahrpläne öffentlicher Verkehrsmittel eher relativ zu interpretieren und unterliegen vielen anderen Einflüssen als der Uhr. Reich der Typ-B Persönlichkeiten.

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