Zucker: die bittere Wahrheit

Ohne Zucker könnte der Mensch nicht leben. Wir brauchen ihn, damit unsere Atmung funktioniert, wir denken, laufen und lachen können. So wurde das weiße Süßungsmittel 1927 beworben. In dem Slogan steckt ein Funken Wahrheit: Die meisten unserer Körperzellen – etwa die Gehirnzellen und die roten Blutkörperchen – ernähren sich aus Glucose (Traubenzucker). Andere Zellen, zum […]

Pur, weiß und tödlich. So betitelte 1972 John Yudkin sein Standardwerk über Zucker. Damals konnte niemand ahnen, wie recht der britische Ernährungs-wissenschaftler haben sollte. Heute weiß man, dass industriell gefertigter Zucker brutale Konsequenzen für den menschlichen Körper hat.

Wir brauchen Zucker

Ohne Zucker könnte der Mensch nicht leben. Wir brauchen ihn, damit unsere Atmung funktioniert, wir denken, laufen und lachen können.

„An Zucker sparen, grundverkehrt! Der Körper braucht ihn, Zucker nährt!“

So wurde das weiße Süßungsmittel 1927 beworben. In dem Slogan steckt ein Funken Wahrheit: Die meisten unserer Körperzellen – etwa die Gehirnzellen und die roten Blutkörperchen – ernähren sich aus Glucose (Traubenzucker). Andere Zellen, zum Beispiel Spermien, akzeptieren nur Fructose (Fruchtzucker). Allein das Gehirn verbraucht täglich vierzehn Esslöffel Glucose.

Natürlicher Zucker

Ein Ausflug in die Biochemie wird helfen zu verstehen, was der Zucker in unserem Körper anstellt: Natürlicher Zucker, enthalten in Früchten und Gemüse, gehört zu den Kohlenhydraten und besteht aus zwei Teilen: jeweils einem Glucose- und einem Fructose-Molekül, die fest miteinander verknüpft sind. Enzyme im Verdauungstrakt brechen diese Verbindung in verwertbare Einzelmoleküle auf. Der Körper schüttet Insulin aus, das die Glucose in die Zellen transportiert.

Zucker als Heilmittel. Man kennt den Effekt von der Marmeladenherstellung. Durch die hohe Dosierung führt der Zucker zu einem Konservierungsprozess, der Mikroorganismen wie Schimmelpilzen und Bakterien keine Chance gibt. Manche Ärzte setzen Zucker auch bei der Wundbehandlung ein. Vor allem bei Brandwunden soll der Stoff zu schnellen Heilungserfolgen führen.

Zucker macht glücklich

Schwierige Arbeit, egal, ob körperlich oder geistig, wird gerne mit Zucker unterstützt. Man fühlt sich schon Minuten nach dem Konsum eines Zuckerriegels leicht und beschwingt, die Konzentrationsfähigkeit steigt und Nervosität schwindet. Der Grund ist rasch erklärt: Zucker und mit ihm sämtliche isolierten Kohlenhydrate (Auszugsmehle und Stärken, wie z. B. Mondamin) lösen bei ihrer Ankunft im Blut – wo Zucker in der Tat bereits wenige Minuten nach seinem Verzehr ankommt – die Produktion einer großen Menge an Insulin aus. Insulin ist ein Hormon der Bauchspeicheldrüse, dessen Hauptaufgabe es ist, den aus der Nahrung stammenden Zucker wieder aus dem Blut zu entfernen und ihn an sämtliche Körperzellen und Organe zu verteilen, die daraus dann ihre Energie gewinnen. Insulin aktiviert aber auch die Bildung eines bestimmten Stoffes, der dann im Gehirn Serotonin zusammenbastelt. Serotonin wird manchmal auch als Glückshormon bezeichnet, da es heitere Gelassenheit und sogar euphorische Anwandlungen herbeizuzaubern vermag.

Richtige Dosis. Das führt zu der Frage, wie viel Zucker ausreicht, um einen derartigen Höhenflug zu verspüren. Nun, es sind 2,5 Teelöffel. Wir nehmen aber im Durchschnitt 33 Teelöffel Zucker pro Tag zu uns. Insgesamt kommen wir auf 36 Kilogramm reinen Zucker pro Jahr. Und jetzt kommen wir zu den Problemen.

Zucker ist nicht gleich Zucker

Es war ein Japaner, Yoshiyuki Takasaki, dem es in den 60er Jahren erstmals gelang, HFCS massenhaft zu produzieren. HFCS ist die Abkürzung für „high fructose corn syrup“. Diese Art von Zucker wird durch einen enzymatisch-chemischen Prozess aus Getreidehalmen gewonnen und hat nichts mehr mit dem Zucker zu tun, der in der Natur vorkommt. Generell besteht diese Verbindung aus 24 Prozent Wasser, Glucose und Fructose. HFCS ist um den Faktor 70 süßer als Haushaltszucker.

Zucker als Rache für den Weltkrieg. Kritische Wissenschaftler wie Robert H. Lustig von der University of California/San Francisco, Division of Endocrinology and Metabolism, nennen die Erfindung Takasakis „die Rache für den Zweiten Weltkrieg“. Denn ab Mitte der 70er Jahre trat der klebrige Stoff aus Maisstärke von den USA ausgehend zu seinem weltweiten Siegeszug an.

HFCS über alles

Erst wurde HFCS in Soda-Drinks wie Coca-Cola eingesetzt, später in beinahe allen Produkten des täglichen Speiseplans. Heute hat HFCS in den Vereinigten Staaten den herkömmlichen Haushaltszucker in der Nahrungsmittelindustrie beinahe gänzlich ersetzt. Im Gegensatz zu normalem Zucker hat die Verwendung von HFCS in den USA von 1970 bis 1990 um tausend Prozent zugenommen. Nicht nur in den USA. Auch auf europäischen Speisetellern findet sich der synthetische Zucker massenhaft wieder. Oder hätten Sie gedacht, dass Ketchup, Salatdressings, Backwaren, Fertiggerichte und -suppen und selbst Babynahrung mit HFCS gesüßt werden? Und so wurde auch die traditionell bewusst lebende japanische Bevölkerung ein Opfer der Erfindung ihres Landsmanns.

Zucker wird versteckt. Der Zuckergehalt eines Produktes wird nicht selten vor dem ahnungslosen Konsumenten „versteckt“. In der Zutatenliste des Etiketts steht nämlich nicht unbedingt Zucker. Da steht vielleicht Saccharose oder Glucosesirup. Oft enthalten Produkte auch reinen Traubenzucker (Glucose), Fruchtzucker (Fructose), Milchzucker (Laktose) oder Malzzucker (Maltose). Bei all diesen Zuckerarten handelt es sich um raffinierte Industriezucker – ganz egal, ob sie nun aus der Milch oder aus den bekannten Früchten gewonnen wurden.

Die Wirkung von HFCS. Auf dem Zutatenetikett steht oft nur Sirup, womit meistens der industriell verarbeitete Maissirup gemeint ist. Da Fructose eine höhere Süßkraft als Glucose hat, wird in der Lebensmittel­industrie der Glucosegehalt von Sirup enzymatisch reduziert und gleichzeitig der Fructosegehalt auf bis zu 90 Prozent erhöht. So erhält man HFCS-90. Die Folge ist: Für dieselbe Süßkraft benötigt man jetzt weniger Sirupmaterial, was der Lebensmittelindustrie beim Sparen hilft.

Krebszellen lieben Fructose

Wissenschaftler der University of California, Los Angeles (UCLA) führten vor kurzem eine Untersuchung durch, die enthüllte, dass Krebszellen sogar eine eigene Schnittstelle für raffinierten Zucker besäßen. Die in der Fachzeitschrift „Cancer Research“ veröffentlichte Studie zeigte außerdem, dass – entgegen der bisherigen Annahme – nicht alle Zuckerarten für Krebszellen gleich hilfreich seien. Tumorzellen der Bauchspeicheldrüse wurden in Tests mit Fructose und mit Glucose gefüttert. Dabei zeigte sich, sie gedeihen zwar auch mit Glucose, aber mit Hilfe von Fructose können sich Krebszellen blitzschnell und auf eine Art und Weise reproduzieren und im menschlichen Körper ausbreiten, wie sie es mit Glucose nicht annähernd schaffen.


Dennoch wurde lange Zeit bestritten, dass es so etwas wie eine Zuckersucht gibt. Inzwischen liegen jedoch auch eindeutige wissenschaftliche Hinweise auf eine Zuckersucht vor. Forscher der Princeton University in New Jersey/USA wiesen das enorme Suchtpotenzial des Zuckers an Ratten nach. Die an Zucker gewöhnten Tiere litten unter extremen Entzugserscheinungen (Zittern, Zähneklappern, Ängste), als man ihnen den gewohnten Zucker wegnahm. Die Ratten griffen daraufhin verstärkt zu den angebotenen Ersatzdrogen wie Alkohol. Als man ihnen wieder Zucker gab, fraßen sie davon mehr als je zuvor. Sie zeigten also ähnliche Verhaltensweisen wie der Mensch.
Wir wiegen im Schnitt alle 12 Kilogramm mehr als unsere Altersgenossen vor 25 Jahren. Wir nehmen 280 Kalorien pro Tag mehr zu uns. Der Grund: „Wir essen nicht mehr. Wir essen mehr Zucker.“ (Robert H. Lustig, UCSF) Zucker umgeht die Barriere in unserem Körper, die uns ein Sättigkeitsgefühl vermittelt. Bald wird die Hälfte aller Menschen in den Industrienationen übergewichtig sein.
Die hohen Dosen an Fructose, die wir zu uns nehmen, schlagen buchstäblich Löcher in die Darmschleimhäute und geben damit giftigen Darmbakterien die Möglichkeit, in den Blutkreislauf zu gelangen und Entzündungen hervorzurufen: der Ausgangspunkt für Krebs, Demenz, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Fettleibigkeit und frühe Alterung.
Zucker kann die folgenden Symptome auslösen oder an deren Entstehung mit beteiligt sein: unerklärliche Müdigkeit, Antriebs- und Energielosigkeit, Depressionen, Angstzustände, Magen- und Darmprobleme wie Völlegefühle, Blähungen, Durchfall und Verstopfung, Haarausfall, Hautkrankheiten, Pilzbefall, Menstruationsbeschwerden, Nervosität, Schlafstörungen, Konzentrationsschwäche – bis hin zu geistiger Verwirrtheit und anderem mehr. Was von besonderem Interesse ist: Der Körper wird anfällig für „Infektionskrankheiten“. Sein Immunsystem ist am Boden und nicht mehr fähig, den Körper angemessen zu schützen.
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